Interview mit Professor Dr. Ayelt Komus

„Der kreative Funke springt über.“ Interview mit Professor Dr. Ayelt Komus, Hochschule Koblenz



Professor Dr. Ayelt Komus lehrt Organisationsgestaltung an der Hochschule Koblenz. Dabei forscht und berät der unter anderem zu den Chancen von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz sowie den Anforderungen, die sich aus diesen Technologien ergeben. Ayelt ist Mitglied des Produktbeirats von Magile, unserer Software für agile Organisationen. Wir sprachen mit ihm darüber, wie Unternehmen mit Agilität umgehen und weshalb er sich gerne bei uns einbringt. 

Ayelt, die aktuelle wirtschaftliche Lage ist alles andere als stabil. Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für Unternehmen? 

Ja, Unsicherheit, Volatilität, Beschleunigung und Ambiguität prägen zunehmend unser Leben. Corona als Aufwachmoment machte das noch einmal plastisch deutlich. Auch an die Ever-Given-Krise im Suezkanal mit ihren verheerenden Folgen im März 2021 erinnere ich mich noch gut: Es reicht aus, dass sich ein einziges Schiff verhakt, um weltweite wirtschaftliche Turbulenzen auszulösen. Der Krieg gegen die Ukraine zeigte einmal mehr, wie vulnerabel unsere Gesellschaften sind. Überall stoßen wir auf Symptome einer immer schneller sich verändernden und eng vernetzten Welt. 

Wie lassen sich diese Veränderungen managen? 

Auf unvorhergesehene Ereignisse können wir uns nicht spezifisch vorbereiten. Unternehmen müssen daher lernen, mit Unsicherheit umzugehen. Sie sollten in der Lage sein, flexibel auf Veränderungen und Anforderungen zu reagieren, und selbst Widerstandsfähigkeit – Resilienz – mitbringen. Alles, was die Selbstorganisation fördert, also vor allem agile Methoden, erhöht die Zukunftsfähigkeit in der heutigen Wirtschaft. 

Wie verbreitet sind solche Ansätze? 

Die allermeisten Unternehmen haben sich bereits auf die eine oder andere Weise mit agilen Methoden auseinandergesetzt. Ich fürchte allerdings, dass viele mit falschen Erwartungen in die Projekte hineingegangen sind. Auf die anfängliche Euphorie folgt dann Ernüchterung: „Die liefern ja gar nicht.“ Selbstorganisation zielt nicht nur darauf ab, dass sich alle wohlfühlen. Das ist sicher auch ein wichtiger Faktor; aber zugleich soll das Unternehmen auch schneller, leistungs- und anpassungsfähiger werden. 

Den Anforderungen der Zeit entspricht eine Unternehmenskultur, die Mitarbeitende dazu ermutigt und in die Lage versetzt, selbst Verantwortung zu übernehmen. Können selbstständig agierende, agile Teams kurzfristig Dinge selbst entscheiden, steigt die Reaktionsgeschwindigkeit. Ob alternative Beschaffungswege oder die Priorisierung von IT-Supportanfrage nach Dringlichkeit: In allen Unternehmensbereichen erhöhen Entscheidungsspielräume die Fähigkeit, angemessen auf nicht vollständig planbare Situationen zu reagieren. 

Oft ist es sinnvoll, agile Methoden mit klassischen Aspekten zu kombinieren. Agile Teams in Konzernen können sich nicht ohne weitergehende Abstimmung selbst organisieren. Große Systeme brauchen Ziele, eine Rahmenplanung und Standards, damit die Teamleistungen synergetisch zusammenwirken können. Dabei können diese gemeinsamen Standards ja durchaus auch gemeinschaftlich entwickelt werden. Hinzu kommt, dass die Corporate Governance und Compliance Konsequenzen mit sich bringen, die in der täglichen Arbeit beachtet werden müssen. Es gilt, mittels agiler Methoden die Flexibilität innerhalb dieses Rahmens zu fördern. Es gibt dafür die schöne Formulierung „Freedom within a Frame“. 

Was zeichnet widerstandsfähige Unternehmen aus? 

Unternehmen haben dann gute Karten, wenn sie wissen, wo sie hinwollen. Sie kennen ihr Alleinstellungsmerkmal und bleiben auch bei weitreichenden Disruptionen auf langfristigem Kurs. Sie setzen ihre Ziele besser und kreativer um. Sie kennen ihren „Purpose“, den Zweck und Sinn ihres Handelns. Das ist heute auch sehr wichtig, um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. rising systems arbeitet den gemeinsamen Sinn immer wieder heraus und justiert kontinuierlich nach. Das merkt man dem Unternehmen an. Wenn ich mich als Produktbeirat für Magile einbringe, werden meine Anregungen aufgegriffen und fließen in die weitere Entwicklung ein. Der kreative Funke springt über – in beide Richtungen. 

Du hast Einblicke in viele Unternehmen. Wer treibt Initiativen zu neuen Organisationsformen intern? 

Das kann sehr verschieden sein. Bemerkenswert ist in vielen Unternehmen die zunehmende Bedeutung des CIO-Bereichs. Die Rolle des früheren „IT-Leiters“ hat sich in den letzten zehn Jahren um 180 Grad gedreht. Früher war oft etwas dran am Bild des männlichen Nerds, der im Keller im Neonlicht sitzt und in Einsen und Nullen denkt. Heute sind die strategischen IT-Bereiche oft Vorreiter bei Veränderung und nicht zuletzt bei der Einführung agiler Methoden. Sie machen sich grundlegende Gedanken darüber, wie Teams besser zusammenarbeiten.  

Du bist viel beschäftigt in Forschung und Lehre. Was reizt dich daran, dem Magile-Produktbeirat anzugehören? 

rising systems ist eine holakratische Organisation. Das finde ich spannend. Da die Software ursprünglich für die eigenen Prozesse entwickelt wurde, wussten die Entwicklerinnen und Entwickler, worauf es ankommt. Herausgekommen ist eine praxisnahe Lösung. Sie erlaubt Unternehmen, agile Methoden in der Praxis anzuwenden – und zwar nicht im Wolkenkuckucksheim, sondern verknüpft mit klassischen Strukturen. Dazu gehört eine ERP-Integration, aber auch eine Funktion wie Zeiterfassung. Da Magile auf einem bestehenden System, der Open-Source-ERP-Lösung Odoo, basiert, ließ sich die Software schnell aufsetzen. Sie wir von Release zu Release wachsen und besser werden. Ich bin gespannt, was alles noch kommt.




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